Liebe Ellen,
ich möchte dir hiermit meine Hochachtung zeigen, weil du dich traust, ehrlich deine Angst zuzugeben. Dieser Mut löst in mir großen Respekt vor dir aus.
Manchmal denke ich, wenn ich ehrlich bin, habe ich auch Angst.. dann denke ich, dass kann man doch nicht so einfach zugeben. Dann hole ich meinen Mann hervor und rede davon, dass ich um ihn Angst habe. Er ist zwar erst gut 52 J., aber er hat geschwächte Bronchien, hustet seit 1 1/2 Jahren und kein Arzt weiß, was wirklich los ist. Ich würde ganz sicher in Panik verfallen, wenn er angesteckt würde, und noch mehr Vorwürfe würde ich mir machen, wenn ich ihn anstecken würde, da ich in meinem Job mit so vielen Leuten zusammen komme, die alle meinen, sie müssen sich bis ans Ende ihres Lebens mit Lebensmittel eindecken und nicht nur für die nächste Woche. Der Abstand zwischen Kassa und Kunden ist keinen Meter weit. Viele Kunden sind verkühlt, husten in die Hand, mit der sie dann noch ihr Geld an die Kassierin weitergeben.
Ein Student ist vorige Woche in die Hausarztpraxis in diesem Ort einfach reinmarschiert, obwohl er Angst hatte, dass er infiziert sei. Den Zettel der draußen an der Praxis hängt, der aussagt, die Leute sollen eine bestimmte Nummer wählen und NICHT sofort in die Praxis kommen hat ihn nicht gestoppt. Die Arzthelferin ist eine Stammkundin hier im Geschäft. Sie und ihr 6jähriger Sohn mussten, als der Patient seine Befürchtung seiner Ärztin geschildert hatte, daheim bleiben bis zum nächsten Tag, als dann endlich das Ergebnis da war, dass der Test negativ war. Ein solches Verhalten an den Tag legen, obwohl bei uns mind. seit 2 Wochen in den Medien permanent erwähnt wird, dass man nicht zum Arzt gehen, sondern zuerst mal anrufen soll, ist für mich unverständlich und zeigt mir, wie schnell die Infektion vonstatten gehen kann.
Eine meiner Schwestern und einer meiner langjährigsten Freunde hatten im Vorjahr Krebs. Was wenn es die erwischt.. das alles macht Angst. Und es ist sicher einfach auch Angst vor dem Unbekannten..
Wenn ich ehrlich bin, bin ich froh, dass meine Eltern und die meines Mannes nicht mehr leben, so muss ich mich zumindest um die nicht sorgen.
Was mich etwas entsetzt ist die Tatsache, dass von meiner Firma noch keine Verhaltensregeln ausgegeben wurden. Desinfektionsmittel für uns soll die nächsten Tage kommen.. mehr ist bis jetzt nicht bekannt gegeben worden. Dabei denke ich, es müsste schleunigst entschieden werden, wie eine Kassierin in ihrem Arbeitsbereich geschützt werden kann, z.B. dass die Kunden mit Bankomat zahlen, kein Wechselgeld für die nächste Zeit, dass die Kunden sich bemühen von sich aus viel Abstand einzuhalten.. heute nachmittag muss ich mich wieder in das "Gewühl stürzen".. schauen wir mal, wie das weitergeht.. mein Mann hat zumindest schon mal die Möglichkeit zu Hause Homeoffice zu machen. Das erleichtert mich zumindest etwas..
DANKE nochmal für das Eingestehen deiner Angst uns gegenüber. Denn ich denke, da werden sich viele hier denken, dann ist das bei mir nicht so falsch, wenn es anderen auch so geht!!!
Ich wünsche allen hier, dass ihr alle und eure Liebsten gesund bleiben!!!!
lg,
Margarete